Bewusstsein ist von Anfang an da und verändert bzw. entwickelt sich mit dem Wachstum des Menschen. Der Mensch lebt am Anfang in einem undifferenzierten Bewusstsein, was die direkte Wahrnehmung des aktuellen Zustandes und wenn nötig seine Veränderung zum Ziel hat. Es ist jedoch noch ganz dem Unbewussten zugeordnet, denn das Bewusstsein entwickelt sich erst mit der Zeit. Diese Bewusstseinsentwicklung ist auch im Gehirn in unterschiedlichen Arealen beheimatet, die evolutionär ebenfalls nacheinander entstanden sind. Wenn unser Körper sich im Uterus bildet, durchläuft er alle Stadien der Evolution und sie sind im Aufbau des Gehirns manifestiert. Das Stammhirn ist der älteste Teil und für die reinen Überlebensfunktionen wie Atem, Herzschlag – und Temperaturregulation zuständig. Es gibt noch keine Ich-Instanz, keine bewusste, kognitive Verarbeitung. Dann folgt das limbische System, hier werden Gefühle, die Kontaktfähigkeit mit anderen und weitere „höhere“ Empfindungen möglich, die Ich-Instanz beginnt sich durch die Identifikation mit Gefühlen zu bilden, damit wächst auch der Anteil des bewusst wahrgenommenen und der bewusst getroffenen Entscheidungen. Somit wächst das Bewusstsein. Mit der Ausbildung des Neocortexes, beginnen unsere höheren Denkfunktionen, alles was uns von Säugetieren unterscheidet, die Fähigkeit zur Reflektion und zur „freien Wahl“, die differenzierte Verarbeitung von Gefühlen u.v.m. sitzen hier. Unser Bewusstsein und die Ich-Instanz werden im Laufe der Jahre weiter differenziert und erweitert. Während wir körperlich nach ca. 18 bis 20 Jahren ausgewachsen sind, ist die Möglichkeit auf Wachstum unseres Bewusstseins nie erschöpft. Hier liegt, meiner Meinung nach, die Hauptaufgabe des körperlich ausgewachsenen Menschen, sich in seinem Bewusstsein weiterzuentwickeln. Darum wird es im Laufe dieses Buches immer wieder gehen.
Diese drei Areale im Gehirn bauen also aufeinander auf, doch wie spielen sie im Erwachsenen zusammen? Sie agieren nicht automatisch miteinander. Wenn wenig Bewusstsein vorhanden ist, können entweder der Neocortex oder das limbische System aktiv sein ohne mit dem jeweils andere System eng zu kooperieren. Dies zeigt sich zum Beispiel bei Menschen, die besonders „im Kopf sind“ und keinen Zugang zu ihren Gefühlen haben. Oder umgekehrt kennen wir Menschen, die starke Gefühle haben und diesen wie ausgeliefert sind, was für sie und andere sehr anstrengend sein kann, logische Zusammenhänge und ein „kühler Kopf“ sind ihnen dann nicht zugänglich. Wenn das Bewusstsein der Ich-Instanz wächst gelingt ihr ein ausgeglicheneres Zusammenspiel beider Zentren. Um dies allerdings möglich zu machen bedarf es einer sicheren Lebenslage des Menschen, in der seine Grundbedürfnisse gesichert sind.
Das heißt, die einzelnen Bereiche können auf einander Einfluss nehmen, müssen es aber nicht. Aus unterschiedlichen Gründen kann es passieren, dass der Mensch hauptsächlich durch das Stammhirn geführt wird. Zum Beispiel bei langanhaltender, lebensbedrohlicher Lage, wie es in Kriegsgebieten oder bei Gefangenschaft der Fall ist. Dann geht es ums reine Überleben und er hat keinen Zugang zu zwischenmenschlichen Verbindungen oder höheren Funktionen des Neocortexes.
Das bedeutet also zusammenfassend, dass es nicht automatisch zu einem harmonischen Zusammenspiel der unterschiedlichen Areale kommt, sondern dass je nach Situation und Veranlagung des Menschen, einzelne dominieren können, was zur Folge hat, dass andere ihren Einfluss verlieren. Alle drei sind aber für ein reifes Erwachsenenleben wichtig, so dass es unsere Aufgabe ist, unsere Ich-Instanz so zu entwickeln, dass wir bewusst aus allen Arealen schöpfen können.